Dienstag, 6. November 2012

Immer dieses Oft.

Oft möchte ich einfach meine Mutter anrufen. Ihr deutlich klar machen, wie es mir eigentlich erging und geht. Ihr erklären, wie was zustande kam. Worin ich die Ursache sehe. Ich greife dann zum Handy. Und doch rufe ich nicht an. Was würde es denn bringen. Nichts. Wahrhaben will sie nichts. Wobei ich ihr auch keine Vorwürfe machen möchte, denn ich prangere sie nicht an für das, was war. Eher für das, was heute ist.

Oft hatten wir Gespräche über das Vergangene. Die Kindheit, den Tiefpunkt.
Nichts von dem was ich sage und behaupte ist wahr. Mein Stiefvater hätte mich nie des Hauses verwiesen. Er hätte mich auch nie anders behandelt als meinen Bruder. Und natürlich wurde ich geliebt.
Dass das Empfinden eines Kindes oder generell eines Menschen von dem eines Anderen abweicht, spielt dabei keine Rolle. Es gibt eben sensible Typen wie mich, die als 6-jährige nicht einsehen, dass die Eltern eben so sind, wie sie sind. Das sie es einfach nicht besser bzw. anders können. Aber das ist eben mein Empfinden, und das war niemals relevant.

Oft bedaure ich es, bei vielen lieben aber unbeteiligten Menschen meinen Seelenmüll abzuladen. Die Annahmestelle dafür sollte in erster Linie meine Mutter sein. Irgendwo hat sie ja doch Vieles hervorgerufen und begünstigt, was nunmehr in mir kämpft. Doch ich scheitere nicht nur an mangelndem Verständnis ihrerseits, sondern auch an null Interesse. Das merkt/sieht/hört man - und eindeutiger geht's einfach nicht. Wozu also. Wozu erneut versuchen. Selbst wenn das ankommt, was ich zu sagen habe, es wird direkt mit bester ich-bin-unschuldig-und-du-bist-schuld-Argumentation zurückgekickt. Nein Danke, brauch' ich nicht.

Oft frage ich mich, ob sie, meine Mutter, manchmal darüber nachdenkt. Über mich, jetzt und in der Vergangenheit. Über das was war. Und ob sie dabei gedanklich Fehler einräumt. Oder denkt, sie würde es heute anders machen. Und ob sie Liebe empfindet. Ob ich ihr wichtig bin, so richtig vom Herzen aus, oder eher das notwendige Übel. Weil Kind und so. Man muss ja irgendwie miteinander auskommen.

Oft vermisse ich sie. Einfach so als Mutter. Zum Ausheulen, zum Rat einholen. Zum Dasein. Und in der Rolle als Oma. Und dann ist alles wieder da. Die Selbstkritik, der Perfektionismus. Dann hadere ich wieder mit mir, was ich denn anders machen müsste, um ihr zu gefallen. Um die Tochter zu sein, die sie sich wünscht. Einfach nur, um mal geliebt zu werden. So Mutter-Tochter-like halt. Okay, fast schon wie ein kleines Mädchen. Aber seit dem fehlt es mir auch. Und viel zu oft spüre ich das kleine Kind in mir, was einfach nur lieb gehabt werden will. Von der Mutter. Und nur von ihr. Einmal. Ein einziges Mal. Herzlich.

Immer ärgere ich mich über dieses oft.
Warum denk ich an sie. Warum zerbreche ich mir den Kopf über Vergangenes und über Dinge, die nicht zu ändern sind. Ich verschwende meine Zeit, meine Nerven. Und es raubt mir auch ein Stück Energie, die ich für viel Wichtigeres brauch: für meine Tochter. Stattdessen bin ich gedanklich, und sicher auch emotional, viel zu oft bei einer Person, in deren Herz ich nicht wohne.

1 Kommentar:

  1. Wenn Reden keinen Sinn hat, schreib Ihr doch einen Brief, wo Du Dir die Seele freischreibst.

    Das kann sie in einer Stillen Stunde lesen.
    Du bist einen Teil Ballast los und sie kann damit was anfangen- oder es lassen.

    LG*

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